Berlin Tempelhofer Feld

Tempelhofer Feld: Bebauung auf Kosten der Natur?

CDU und SPD sprechen erneut über eine (Teil-)Bebauung des Tempelhofer Feldes. Über Sinn und Unsinn dieser Idee.

Als die Auszählung des Volksentscheids 2014 beendet war, war klar: Die Berliner und Berlinerinnen wünschen sich den Erhalt des Tempelhofer Feldes. Über 64 % der teilnehmenden Stimmberechtigten votierten für Schutz und Erhaltung des ehemaligen Flughafens in seiner bestehenden Form. Seit vergangenem Jahr aber werden die Stimmen aus der Politik lauter, die sich eine Neubewertung der Situation wünschen.

Demokratie auf Zeit und Raten

Mit der Ausrufung eines Gestaltungswettbewerbes in diesem Jahr möchten CDU und SPD Möglichkeiten für eine mögliche Bebauung des Tempelhofer Feldes erörtern. Nicht wenige Stimmen sehen darin eine Entwertung einer durch die Bevölkerung in einem direkten Verfahren getroffenen Entscheidung. Der Zeithorizont von gerade einmal zehn Jahren unterstreicht dies.

Vielmehr noch: Im von Stadtentwicklungs- und Bausenator Christan Gaebler (SPD) angestrebten „Ideenwettbewerb und Bürgerwerkstatt“ werden einseitige Bebauungspläne forciert, während die Option einer Nicht-Bebauung, die seit 2014 gesetzlich festgeschrieben ist, „keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt“, kritisierte etwa Marie Jünemann, Vorstandsmitglied bei Mehr Demokratie Berlin/Brandenburg.

Aus demokratischer Perspektive ist das Vorgehen von CDU und SPD in vielerlei Hinsicht zu hinterfragen und trägt durchaus den Beigeschmack von Maßnahmen, die das Vertrauen in (direkte) Demokratie schädigen könnten.

Einen passenden, sehr hörenswerten Kommentar dazu liefert Ann-Kathrin Hipp, Tagesspiel-Redakteurin, bei radio eins – und gibt dabei viele Einsichten in die fehlerhafte Bewertung der aktuellen Politik.

Das ist für mich eine Scheindebatte, die wir hier führen, die zwar praktischerweise von der Ideen- und Tatenlosigkeit des Senats ablenkt, sonst aber nichts für diese Stadt tut.

Die Mär des bezahlbaren Wohnraums

Mit der Bebauung, betonen Politiker und Politikerinnen, könne ein wichtiger Schritt gegen den Mangel an Wohnungen in der Stadt unternommen werden. Verschwiegen wird bei dieser Argumentation aber, dass das Tempelhofer Feld vorhersehbar kein Areal darstellt, der bezahlbares Wohnen verspricht.

Schon jetzt berappen Anwohner des Feldes teilweise über 30 Euro je Quadratmeter. Auf dem Tempelhofer Feld selbst aber müsste zusätzlich zu den Wohnungsinvestitionen auch die gesamte Versorgungsinfrastruktur errichtet werden, was den Preis weiter nach oben treibt – und damit das gesamte Gelände vornehmlich für Investoren interessant macht, die auf ein gehobenes Segment oder gar Luxuswohnungen abzielen.

Priorität, so formuliert es auch der NABU Berlin, sollte stattdessen das Bauen auf bereits versiegelten Flächen haben. 985 Hektar Fläche hat der Umweltschutzverband in Berlin dafür bereits bis 2022 ausgemacht, die sich über alle Stadtbereiche aufteilt. Der NABU stellt in diesem Zusammenhang klar: „Es ist höchste Zeit, das Potenzial bereits versiegelter Flächen für die Nachverdichtung zu nutzen, statt weiterhin große neue Stadtquartiere auf der grünen Wiese zu planen“

Ökologischer Wert des Tempelhofer Feld wird ignoriert

TF-Monitoring

Von Seiten der CDU und SPD wird der ökologische Wert des Tempelhofer Feldes indes merklich deutlich ignoriert. Dabei beschreibt das naturschutzfachliche Monitoring 2021 viele bedeutende Arten, die auf dem Tempelhofer Feld heimisch sind. Zu nennen sind in diesem Kontext insbesondere (Auswahl):

Bedrohte Pflanzenarten auf dem Tempelhofer Feld:

  • Gemeine Grasnelke, bedroht durch Lebensraumverlust und Isolierung der Vorkommen
  • Sand-Strohblume, gefährdert
  • Dolden-Spurre, Bestand deutlich abnehmend

Bedrohte Vogelarten auf dem Tempelhofer Feld:

  • Feldlerche: In ganz Europa mit immensen Bestandseinbrüchen, in Berlin noch 400-500 Brutpaare, rund 230 davon auf dem Tempelhofer Feld. Rote Liste Berlin.
  • Neuntöter: Bestandserholung nach drastischen Verlusten in den 80ern
  • Steinschmätzer: rund 30-60 Brutpaare in Berlin, Trend abnehmend, besonders stark gefährdet
  • Rauchschalbe: Bestand in Berlin gefährdet, 700-900 Brutpaare in Berlin, abnehmend
  • Sumpfrohrsänger: lokale Zusammenbrüche der Bestände, in Berlin gefährdet
  • Braunkehlchen: schwankende Zahlen auf dem Tempelhofer Feld, nur 30-50 Brutpaare in ganz Berlin, gefährdet
Feldlerche

Bedrohte Heuschrecken- und Grillenarten auf dem Tempelhofer Feld:

  • Zweifarbige Beißschrecke
  • Italienische Schönschrecke
  • Warzenbeißer
  • Gefleckte Keulenschrecke
  • Blauflüglige Ödlandschrecke
  • Rotleibiger Grashüpfer
  • Westliche Beißschrecke

Bedrohte Tagfalter und Widderchen auf dem Tempelhofer Feld:

  • Resedaweißling
  • Violetter Feuerfalter
  • Kleiner Sonnenräschen-Bläuling
  • Ampfer-Grünwidderchen
  • Sechsfleck-Widderchen

Bedrohte Wildbienen auf dem Tempelhofer Feld:

Auf dem Tempelhofer Feld wurden über 100 Wildbienen-Arten festgestellt, von denen 14 Arten auf der Roten Liste Deutschlands und 16 auf der Roten Liste Berlin stehen.

Zudem wurde auf dem Tempelhofer Feld die mit enormen Bestandsrückgängen kämpfende Zauneidechse festgestellt.

Wie unsensibel sich gerade die CDU mit Blick auf die ökologische Bedeutung des Tempelhofer Feldes zeigt, belegt eine Mail aus dem Hause des regierenden Bürgermeisters Kai Wegner. In der heißt es lapidar: „Die Freifläche in der Mitte, ergänzt durch einen neuen Stadtwald, soll als Erholungs- und Freizeitfläche erhalten und nicht eingegrenzt werden.“ Dass sich dadurch die Ökologie am Tempelhofer Feld gravierend ändern würde und wohl zum Aussterben einer Vielzahl der genannten Arten auf der Fläche führen würde, scheint nicht relevant.

Initiative 100% Tempelhofer Feld

Und so bleibt es engagierten Bürgern überlassen, gegen die politisch doch sehr einseitig eingeläuteten Bebauungspläne mobil zu machen. Wer sich einbringen möchte, kann das unter anderem über die Initiative 100% Tempelhofer Feld tun. Die Initiative stellt auf ihrer Seite unter anderem Möglichkeiten vor, um sich auf kurzem Wege selbst gegen die Bebauung stark zu machen.

Wer sich beteiligen möchte – auch für eine Ausstellung zur Vielfalt des Tempelhofer Felds, die ich mit meiner eigenen Arbeit und Energie unterstütze – kann dies gerne tun unter:

https://www.betterplace.org/de/projects/133208-das-tempelhofer-feld-braucht-dich

Wohnraum Tempelhofer Feld

Titelbild: «A.Savin, Wikipedia»

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